Wir treffen Werner Kramer in den Werkstätten ob Alpnachstad. Er ist grad abgetaucht, in den Untergrund. Eine Treppe führt ihn nämlich in die Montagegrube unterhalb des Rollgestells eines nackten Triebwagens der alten Generation, dieser feuerroten Triebwagen, welche die ganz Welt kennt. Aus der Froschperspektive prüft er die alten Maschinen auf Herz und Nieren. Fast allen stammen aus den 1930er-Jahren und sind seither treue Zugpferde für die steilste Zahnradbahn der Welt. Diese Saison fahren die meisten das letzte Mal bergauf und bergab.
Nackte Tatsachen
Werner Kramer und sein Team haben den Oberbau – die Kabine – mittels Hebeböcke entfernt. Völlig freigelegt steht hier also das Skelett eines dieser unterdessen bahnhistorischen Gefährte. Und man staunt nicht schlecht, was die Ingenieure damals alles überlegt haben. «Die Fachleute in Winterthur bei der Schweizerische Lokomotiv- und Maschinenfabrik SLM haben hochpräzise Arbeit geleistet», erklärt Werner Kramer, seines Zeichens Werkstattleiter der Pilatus-Bahnen und seit vielen Jahren mit von der Partie.
So fällt auf, dass das einstige Untergestell der Triebwagen deutlich leichter war als jenes der neuesten Generation aus dem Hause Stadler Rail. Diese topmodernen Triebwagen werden ab 2023 den Drachenberg erklimmen, ein Exemplar ist bereits in den Reihen der Pilatus-Bahnen, ein zweites soll im Juni folgen. Der Stahlunterbau mit Rädern und Motor der alten Wagen wog einst 4,5 Tonnen. «Bei den neuen Triebwagen sprechen wir von 7 Tonnen, was erheblich mehr ist. Dies hat nicht nur mit mehr Elektronik zu tun, die in den neuen Wagen verbaut ist, sondern auch mit einer neuen Konstruktionsweise.
Ruhiger Lauf, starke Motoren
Aktuell sind die Ingenieure von Stadler Rail und der Pilatus-Bahnen auch damit befasst, die Fahrt auf dem historischen Geleise, das keinerlei Veränderungen erfährt, zu «beruhigen». Die einstigen Ingenieure hatten eine geniale Idee: Sie haben – für eine ruhigere Fahrt – die Achse direkt gefedert.
Heute bringt Stadler Rail – um die gleich ruhigen Fahrwerte wie einst zu erreichen – gefederte Räder an. Die Ingenieure von Stadler Rail tüfteln aktuell an dieser Mini-Federung, welche die Holperer, die von den in 6 Meter Abstand montierten Schienenübergänge ausgehen, absorbiert.
Einst 10 statt 150 Seiten
Augenfällig wird die Zeitenwende auch in Sachen Dokumentation und damit hinsichtlich Lesestoffs für die künftigen Triebwagenführer. Wo früher das Manual für den Antrieb der historischen Wagen gerade mal 10 Seiten in Anspruch nahm, wird der heutige Triebwagenführer auf rund 150 Seiten allein über den Screen und dessen Möglichkeiten im Führerstand informiert. Dies bedarf der sorgfältigen Schulung durch Werner Kramer, der bislang einer der Wenigen ist, der die neuen Triebwägen steuern darf. «Dieses neue Fahren mittels eines Joysticks und nicht mehr mit einem klassischen Kurbel-Bremse und Kontrollerrad ist schon eine ganz andere Geschichte.» Doch Kramer ist felsenfest überzeugt: Seine bewährte Crew an Monteuren und Zugführern wird auch diese Klippe meistern. Die entsprechenden Tests sind voll im Gang, die finale Abnahme durch das Bundesamt für Verkehr BAV ist per September 2022 zu erwarten.