Herr Blaser, die Vorarbeiten für die neue Zahnradbahn laufen auf Hochtouren. Dazu gehören auch Tests der neuen Sicherheitskonzepte, jetzt, wo zwei Triebwagen zusammengehängt fahren. Welchen Fall haben Sie kürzlich am Berg simuliert?
Wir hatten folgende «fiktive» Ausgangslage: Wir standen vor einem havarierten Fahrzeug, das nicht mehr bewegt werden konnte – und dies bei 45 Promille Steigung ob Alpnachstad. Getriebebruch hiess die Diagnose. Sprich: Die Nottalfahrt wäre laut dieser Übungsanlage nicht mehr möglich.
Wie viele «Passagiere» waren involviert?
Es waren 43 Figurantinnen und Figuranten im Einsatz. Des Weiteren waren Mitarbeitende von Stadler Rail, welche die neuen Triebzüge gebaut hat, vor Ort.
Und wie lautete deren Feedback?
Unisono wurde uns attestiert, dass dies eine sehr gute Übung war, bei der die Realität der Theorie entsprach.
Sie als Projektleiter, was sagen Sie zu den Ergebnissen?
Ich bin sehr zufrieden, dass die Abläufe, Prozesse und Konzepte in der Praxis so funktionieren, wie wir es uns in der Vorbereitung fürs Krisenmanagement überlegt hatten. Es gab also keine Überraschungen.
Was sind die Haupterkenntnisse?
Das Evakuierungskonzept funktioniert im Störfall einwandfrei. Bei den Zwischentritten in den Abteilen müssen wir die Rutschgefahr bei nassem Schuhwerk noch genauer anschauen. Der Treppenübergang von Fahrzeug zu Fahrzeug hat sehr gut funktioniert. Auch das Herausheben der Frontscheiben erfolgte schnell und effizient. Natürlich hoffen wir, dies nie im Ernstfall einsetzen zu müssen. Als nächstes können wir jetzt die Ausbildungsunterlagen für unsere Mitarbeitenden erstellen.
Was ist denn anders, wenn künftig zwei Triebwagen zusammengekoppelt sind? Erhöht sich da in irgendeiner Weise das Risiko?
Das Gegenteil ist der Fall. Da wir mit gekoppelten Triebfahrzeuge unterwegs sind, ist die Verfügbarkeit höher. Alle Systeme sind redundant aufgebaut. Das heisst: Wenn ein System ausfallen sollte, kann der andere Triebwagen dies kompensieren, und die Fahrt kann wie geplant weitergeführt werden. Überdies sind bei Doppeltraktion künftig nur noch vier Kompositionen und nicht wie heute 10 einzelne Fahrzeuge unterwegs. Somit ist das Störungsrisiko deutlich minimiert.
Wie oft übt man solche Situationen im Regelbetrieb?
Sicherlich jährlich vor Saisonstart, damit alle Mitarbeitenden für die kommende Saison gerüstet sind. Falls wir Unsicherheiten feststellen würden, kann die Übung auch mehrmals durchgeführt werden.
In extremis: Was passiert, wenn der Triebwagenführer selbst ausser Kraft gesetzt wäre?
Bei den alten sowie auch bei den neuen Triebfahrzeugen ist eine Wachsamkeitskontrolle eingebaut. Das Pedal oder der Hebel müssen alle 30 Sekunden betätigt werden. Wenn dies nicht erfolgt, ertönt ein Alarmsignal, danach wird der Zug durch eine Notbremsung gestoppt.
Was müssen Triebwagenführerinnen und -führer sonst noch beherrschen?
Sie brauchen umfassende Kenntnisse über Strecke, Fahrstrom sowie Sicherungsanlagen. Zudem sind die Fahrzeugkenntnisse zentral. Ein grosses Augenmerk gilt der Brandverhütung und -bekämpfung. Gleiches trifft für die 1. Hilfe. Und last but not least: Alle müssen das Arbeitszeitgesetz (AZG) genauestens kennen und einhalten.
Zum Schluss: Wer ist das grössere Risiko, Mensch oder Technik?
Im Moment ist es der Mensch, in Zukunft dürfte es eher die Verfügbarkeit der Systeme sein, da viel mehr Prozesse und Abläufe verschiedenster Art überwacht werden müssen.